Hallo Ingenius!
Ich erlaube mir mal, mich kurz einzumischen und dir eine - zugegeben nicht ganz einfache - Überlegung vorzuschlagen:
Ingenius hat geschrieben:Er saß da. Ein älterer, großer, hagerer Mann, so eine Art Mischung aus Walter Matthau und Anthony Quinn. Er trug eine braune Hose und eine dunkelrote Wolljacke. Hatte einen leichten Buckel, als wenn er es gewohnt wäre, sich ständig Leuten zuzuwenden, die viel kleiner als Er waren. Um ihn herum saß ein Grüppchen Leute und hörte Ihm zu.
Ich dachte, dass das nur ein schlechter Schauspieler wäre, wusste aber gleichzeitig, dass es Gott war.
...
Ich wollte mich an Gott wenden, aber Er ignorierte mich, war für mich unerreichbar.
Sein Gesicht habe ich nie gesehen. Er wandte mir immer nur den Rücken oder die Seite mit weggedrehtem Kopf zu.
Es gibt eine Auffassung des Göttlichen als
das ganz Andere, das vollkommen Fremde. Also als dasjenige, was immer in den Bereich desssen verweist, was
hinter den eigenen Grenzen liegt. Natürlich verändert sich das, was man von diesem
ganz Anderen sieht mit jedem Schritt, den man geht. Das Bild eines "Personengottes" passt nicht dazu. Es ist zugegeben eine abstrakte Vorstellung. Aber ich habe den Eindruck, dass sie deiner inneren Vorstellung des Göttlichen sehr viel näher kommt, als das Bild des "Personengottes". Den hat dein Traum von Anfang an in Verdacht, ein "Betrüger" zu sein. D.h.: ein Bild zu sein, dass nicht wirklich zu deiner inneren Vorstellung und Erfahrung des Göttlichen passt.
In dieser dynamischen Vorstellung des Göttlichen ist es nur ganz natürlich, dass du "das Gesicht nicht siehst": das Gesicht blickt
in die Richtung deines Wegs, also in dieselbe Richtung wie du.
Das Gefühl, "nie etwas zu Ende zu bringen, nie fertig zu werden" entspricht m.E. in einem gewissen Sinne der Realität: Wenn man immer auf das
Mögliche und nicht Erreichte schaut, dann blickt man sozusagen grundsätzlich in die Unendlichkeit und Transzendenz (oder eben meinetwegen in Richtung des Göttlichen). Das kann unterstützend sein, weil es z.B. Ideen bringt; das kann einem wie ein Fluch vorkommen, weil man dann garantiert "nie fertig wird". Diese Weise zu blicken ist ihrem Wesen nach immer der Blick in die
Zukunft. Wenn das zu Versagensgefühlen führt, kann es hilfreich sein, den Blick häufiger einmal in die Richtung der Vergangenheit zu schicken und ihn dort
auf den bereits erreichten Ergebnissen verweilen und ruhen zu lassen, anstatt immer wieder in die Zukunft, in das Mögliche oder eben in das (aktuell) "Jenseitige" zu schauen.
Wenn man den Traum in dieser Weise betrachtet, so könntest du den Jungen mit dem Holztier als den Blick in die Vergangenheit betrachten, auf dein eigenes Kindsein und auf die erreichten Ergebnisse deines Lebens. Jedes Ergebnis, das du in deinem Leben erreicht hast, ist irgendwann einmal im Bereich deiner persönlichen "Jenseitigkeit" oder Transzendenz gewesen und in diesem Sinne im Bereich des Göttlichen. Wenn du auf deine Resultate schaust, kannst du also gewissermaßen das in deinem Leben manifest gewordene Göttliche sehen.
Der
Sinn entsteht und entwickelt sich im Weitergehen: Wie willst du einen Faden als Ganzes sehen, der gerade erst gesponnen wird oder ein fertiges Tuch, das gerade erst gewebt wird? Ein "fertiges Tuch", ein "fester, absoluter Sinn" gehört immer zu jemandem oder etwas anderem als man selbst, zu etwas das
"fertig" ist, am Ende des jeweiligen Wegs ist.
Hast du eine Vorstellung bekommen, wie ich das alles ungefähr meine?