Obdachlos

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Obdachlos

Beitragvon Rabulist » 09.10.2020, 11:26

Meistens träume ich von verschiedensten Situationen, in denen die Ereignisse eben so belanglos vor sich hinplätschern. Vieles kann ich mir dabei - auch in der zeitlichen Abfolge - nicht merken.
Manchmal kommt es aber zu träumen, die mich emotional mehr berühren. Einen solchen hatte ich heute morgen:

Bevor es zur gleich geschilderten Szene kommt, habe ich von meinem Aufenthalt in einer Stadt geträumt, der aber eher belanglos schien. Dann entwickelt sich die Lage und wird persönlicher:
Ich lebe mit meiner Frau in einer Stadt mit weiten Plätzen, großen historischen Gebäuden und viel gepflastertem Boden. Ich glaube, es ist Rom, es könnte aber auch München oder eine unbekannte Stadt sein. Ich lebe ohne Obdach in dieser Stadt, also auf der Straße. Allerdings ist dies mein erster Tag als Obdachloser, das harte Leben habe ich noch nicht zu kosten bekommen.
Nun steht eine Drohung im Raum. Wenn ich das Wort an eine bestimmte Person richte – welche, ist mir nicht ganz klar – dann würde „die Mitte der Stadt für sehr lange Zeit hungern“. Das finde ich merkwürdig, denn die Mitte der Stadt wirkt momentan völlig normal. Offenbar habe ich das auslösende Wort aber gesprochen, denn nun nähern sich Busse und der Platz wird immer belebter, von Alltagsmenschen, die von außerhalb der Stadt ins Bild kommen. Auch aus den Bussen kommen Menschen, es wird deutlich voller auf dem Platz, auf dem ich mich befinde.
Die neu angekommenen Menschen benehmen sich sehr komisch. Sie sprechen offenbar Englisch miteinander, wenngleich gebrochen. Wir sind auch nicht in einem englischsprachigen Land, die Landessprache ist eigentlich Italienisch. Auch meine Frau ist Italienerin und gehört der einheimischen Gruppe an. Die Neuankömmlinge müssen also Fremde sein. Ich sehe eine Vierergruppe heftig miteinander diskutieren. Alle tragen Wollpullover, und anhand ihrer Kleidung und ihres Aussehens kann ich sie einordnen. Der Wortführer, ein schmächtiger Mann mit brauner Haut und einer Brille in einem silbrigen Rahmen, ist offenbar Ägypter. Er spricht zu einem, den ich als israelischen Araber erkenne, ein dritter muss wohl ein Syrer sein.
Ich frage mich, was die hier wollen, da sie ja gar keine Einheimischen sind. Auch ihr Verhalten ist ganz merkwürdig. Sie reden zwar laut und gestenreich, scheinen aber gar nicht aufeinander zu reagieren, sondern sprechen eher wie Aufziehpuppen miteinander, scheinen auch oft das gleiche zu wiederholen. Ich spreche den ersten an: „Are you from Egypt?“ – er freut sich und bestätigt das eifrig nickend. Dann wende ich mich an den Syrer, der reagiert aber nicht. Anders der dritte, der sich unheimlich freut, dass ich ihn als israelischen Araber sehe und nicht als Palästinenser. „Yes, yes, Israel!“ ruft er bestätigend. Das ist mir etwas unangenehm, weil ich offenbar ein Politikum losgetreten habe. Also frage ich, wo sie alle herkommen und was sie hier wollen, aber sie wiederholen nur ihre Nationalitäten, ohne auf meine Frage einzugehen.
Die Menge der fremden drängt mich an den Rand, nun stehen sie auf dem großen Platz, und ich stehe schon unterhalb der Bordsteinkante auf der Straße. Einer presst mir eine zum Verkauf bestimmte Sonnenbrille gegen die Stirn und bedrängt mich, er wolle seine Brille recyceln und ich solle sie ihm abnehmen. Ich greife an einen Holzblock in der Nähe und puhle einen etwa 30cm langen Holzspan heraus, mit dem ich den Fremden auf Distanz halte.
Jetzt wird es deutlich: diese Menschen sind so viele, sie nehmen mir als Obdachlosem die Lebensmöglichkeiten weg. Sie sind ja selber ohne Unterkunft und werden die Ressourcen aufbrauchen, von denen ich hätte existieren können. Ich ahne, dass nun langsam die Nacht kommen wird, dann werde ich die Schwierigkeiten deutlicher zu spüren bekommen. Es setzt schon eine Nachmittagsdämmerung ein. Ich wende mich zu meiner Frau und sage ihr, dass wir nun fortziehen müssen, in eine kleinere Stadt, wo wir besser zurechtkommen. Das ist problematisch, weil meine Frau eigentlich zu dieser Stadt gehört, zumindest fühlt sie sich emotional hier gebunden.
Ich denke an meine Heimatstadt K., habe allerdings auch die Sorge, dass meine früheren Schulfreunde mich als Obdachlosen erkennen könnten. Aber diese um Obdach bitten käme für mich auch nicht in Frage.
Nun neigt sich der ewig dauernde Tag als Obdachloser dem Ende zu, die Nacht dämmert herauf und hat uns in Bedrängnis gebracht. Unter diesen Gefühlen wache ich auf.

Noch etwas Hintergrund: Ich bin um die 50, verheiratet. Wir wohnen in der Stadt, in der meine Frau großgeworden ist, sind extra nach längerer zeit der "Wanderschaft" hierher gezogen. Für mich steht vielleicht in einem Jahr ein Umzug in eine andere Stadt an aus beruflichen gründen - da könnte ich dann ein Wochenendpendler werden. Eine Aussicht, in meine eigene Heimatstadt zu kommen, habe ich realistisch nicht, denke aber gerne an diese Stadt zurück.
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Re: Obdachlos

Beitragvon Rabulist » 09.10.2020, 12:25

Lieber Ghost,

danke für die Deutung, die für mich einige interessante und verwertbare Aspekte enthält. Gedanken über Spiritualität mache ich mir tatsächlich, und mein spirituelles Dach verliere ich auch gerade. Nicht zuletzt diese Tatsache führt mich ja auch hier ins Traumforum.

Zwei Dinge kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen:
1. Mit Berlin hat der Traum nun gar nichts zu tun, woraus leitest du das ab??? Du scheinst von dem Gedanken an Berlin ganz besessen zu sein - der Traum bietet aber keinen Anhaltspunkt. Schlägst du allen Träumenden vor, nach Berlin zu ziehen, oder bin nur ich der Auserwählte??
2. Du stellst die Situation sehr dramatisch dar. Ich folge falschen Traumdeutern geradezu in den Abgrund, und soll umkehren (und dir folgen), bevor es zu spät ist. Zunächst einmal kann ich dich dahingehend beruhigen, dass ich den anderen ja gar nicht "folge". Manche Aspekte scheinen mir plausibel, andere weniger. Das gilt aber für alle Deutungsversuche. Dir "folge" ich in diesem Sinne natürlich auch nicht. Nun klingt es für mich so, als ob mir der physische Untergang unmittelbar droht, wenn ich nicht rasch ein öffentliches Bekenntnis zu deinen Gunsten ablege. Aber was um alles in der Welt hat das denn mit Traumdeutung zu tun??
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Re: Obdachlos

Beitragvon Rabulist » 09.10.2020, 13:29

Ghost!

Ja, in der Tat, der Rom-Traum bietet sich als Folgetraum für den Berlin-Traum an. In beiden werde ich ganz ähnlich bedrängt. Da haben wir eine Spur, der ich mich gerne anschließe.
Nur die Sache mit Berlin will mir noch nicht recht schmecken. Vielleicht war ja der Berlin-Traum auch nur ein Folgetraum für eine andere Stadt (z.B. Ouagadougou), nur ich hab's vergessen, weil ich damals noch keine Träume aufgezeichnet habe.

Ich bin gespannt auf die nächste Stadt...
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Re: Obdachlos

Beitragvon Rabulist » 14.10.2020, 10:25

Hallo Ghost!

Die Folgeträume hier kurz zusammengefasst. Besonders der zweite wird dir gefallen.

Der erste ist etwas länglich, spielt wieder mal in einem Hotel in Rom. Wir sind in einer Gruppe von der Behörde unterwegs, in der ich arbeite. Ich bin der Organisator, unser Chef ist auch dabei. Ein unzuverlässiger Kollege, der eigentlich durch die Stadt hätte führen sollen, kommt nicht. Ich habe einen schwarzen Würfel mit vielen roten Tasten überall, das ist ein Telefon, mit dem rufe ich den Kollegen an. Dieser sagt mir, mein Vater habe ihn attackiert, deswegen sei nun sein Bein verletzt und er könne nicht die Stadtführung durchführen.

Der zweite Traum ist nur ganz kurz. Ich fahre allein auf einer Autobahn, gerate dabei ins Träumen, und als ich wieder hochschrecke, bin ich ganz allein auf weiter Flur am Ende der Straße angekommen. Ein "Einfahrt Verboten"-Schild zeigt das deutlich an, außerdem endet die Fahrbahn und vor mir sowie an den Seiten der Straße ist alles mit Büschen zugewachsen. Ich muss irgendwo eine Abzweigung verpasst haben und denke mir: nun muss ich umkehren und die Abzweigung suchen.
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