Meistens träume ich von verschiedensten Situationen, in denen die Ereignisse eben so belanglos vor sich hinplätschern. Vieles kann ich mir dabei - auch in der zeitlichen Abfolge - nicht merken.
Manchmal kommt es aber zu träumen, die mich emotional mehr berühren. Einen solchen hatte ich heute morgen:
Bevor es zur gleich geschilderten Szene kommt, habe ich von meinem Aufenthalt in einer Stadt geträumt, der aber eher belanglos schien. Dann entwickelt sich die Lage und wird persönlicher:
Ich lebe mit meiner Frau in einer Stadt mit weiten Plätzen, großen historischen Gebäuden und viel gepflastertem Boden. Ich glaube, es ist Rom, es könnte aber auch München oder eine unbekannte Stadt sein. Ich lebe ohne Obdach in dieser Stadt, also auf der Straße. Allerdings ist dies mein erster Tag als Obdachloser, das harte Leben habe ich noch nicht zu kosten bekommen.
Nun steht eine Drohung im Raum. Wenn ich das Wort an eine bestimmte Person richte – welche, ist mir nicht ganz klar – dann würde „die Mitte der Stadt für sehr lange Zeit hungern“. Das finde ich merkwürdig, denn die Mitte der Stadt wirkt momentan völlig normal. Offenbar habe ich das auslösende Wort aber gesprochen, denn nun nähern sich Busse und der Platz wird immer belebter, von Alltagsmenschen, die von außerhalb der Stadt ins Bild kommen. Auch aus den Bussen kommen Menschen, es wird deutlich voller auf dem Platz, auf dem ich mich befinde.
Die neu angekommenen Menschen benehmen sich sehr komisch. Sie sprechen offenbar Englisch miteinander, wenngleich gebrochen. Wir sind auch nicht in einem englischsprachigen Land, die Landessprache ist eigentlich Italienisch. Auch meine Frau ist Italienerin und gehört der einheimischen Gruppe an. Die Neuankömmlinge müssen also Fremde sein. Ich sehe eine Vierergruppe heftig miteinander diskutieren. Alle tragen Wollpullover, und anhand ihrer Kleidung und ihres Aussehens kann ich sie einordnen. Der Wortführer, ein schmächtiger Mann mit brauner Haut und einer Brille in einem silbrigen Rahmen, ist offenbar Ägypter. Er spricht zu einem, den ich als israelischen Araber erkenne, ein dritter muss wohl ein Syrer sein.
Ich frage mich, was die hier wollen, da sie ja gar keine Einheimischen sind. Auch ihr Verhalten ist ganz merkwürdig. Sie reden zwar laut und gestenreich, scheinen aber gar nicht aufeinander zu reagieren, sondern sprechen eher wie Aufziehpuppen miteinander, scheinen auch oft das gleiche zu wiederholen. Ich spreche den ersten an: „Are you from Egypt?“ – er freut sich und bestätigt das eifrig nickend. Dann wende ich mich an den Syrer, der reagiert aber nicht. Anders der dritte, der sich unheimlich freut, dass ich ihn als israelischen Araber sehe und nicht als Palästinenser. „Yes, yes, Israel!“ ruft er bestätigend. Das ist mir etwas unangenehm, weil ich offenbar ein Politikum losgetreten habe. Also frage ich, wo sie alle herkommen und was sie hier wollen, aber sie wiederholen nur ihre Nationalitäten, ohne auf meine Frage einzugehen.
Die Menge der fremden drängt mich an den Rand, nun stehen sie auf dem großen Platz, und ich stehe schon unterhalb der Bordsteinkante auf der Straße. Einer presst mir eine zum Verkauf bestimmte Sonnenbrille gegen die Stirn und bedrängt mich, er wolle seine Brille recyceln und ich solle sie ihm abnehmen. Ich greife an einen Holzblock in der Nähe und puhle einen etwa 30cm langen Holzspan heraus, mit dem ich den Fremden auf Distanz halte.
Jetzt wird es deutlich: diese Menschen sind so viele, sie nehmen mir als Obdachlosem die Lebensmöglichkeiten weg. Sie sind ja selber ohne Unterkunft und werden die Ressourcen aufbrauchen, von denen ich hätte existieren können. Ich ahne, dass nun langsam die Nacht kommen wird, dann werde ich die Schwierigkeiten deutlicher zu spüren bekommen. Es setzt schon eine Nachmittagsdämmerung ein. Ich wende mich zu meiner Frau und sage ihr, dass wir nun fortziehen müssen, in eine kleinere Stadt, wo wir besser zurechtkommen. Das ist problematisch, weil meine Frau eigentlich zu dieser Stadt gehört, zumindest fühlt sie sich emotional hier gebunden.
Ich denke an meine Heimatstadt K., habe allerdings auch die Sorge, dass meine früheren Schulfreunde mich als Obdachlosen erkennen könnten. Aber diese um Obdach bitten käme für mich auch nicht in Frage.
Nun neigt sich der ewig dauernde Tag als Obdachloser dem Ende zu, die Nacht dämmert herauf und hat uns in Bedrängnis gebracht. Unter diesen Gefühlen wache ich auf.
Noch etwas Hintergrund: Ich bin um die 50, verheiratet. Wir wohnen in der Stadt, in der meine Frau großgeworden ist, sind extra nach längerer zeit der "Wanderschaft" hierher gezogen. Für mich steht vielleicht in einem Jahr ein Umzug in eine andere Stadt an aus beruflichen gründen - da könnte ich dann ein Wochenendpendler werden. Eine Aussicht, in meine eigene Heimatstadt zu kommen, habe ich realistisch nicht, denke aber gerne an diese Stadt zurück.