Im Traum bedrängt

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Moderator: Mirakulix

Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 22.09.2020, 12:38

In meinen bisherigen Träumen flossen die Ereignisse mehr oder weniger vor sich hin, ohne mich wirklich zu betreffen. Das war heute Nacht anders. Auch war der Traum deutlich klarer als meine Träume sonst sind.

Ich war in Berlin, in einem Tagungshotel. Ich träume oft von Tagungshotels, das ist offenbar eine Reminiszenz an meine wirkliche Arbeit. Ich muss dazu sagen, dass ich bei einer staatlichen Behörde arbeite und in diesem Zusammenhang eben manchmal auch Tagungen besuche.

Teil 1: Splitter im Auge

Bis zum Beginn meiner Veranstaltung habe ich noch ein oder zwei Stunden Zeit und gehe durch die Drehtür nach draußen vor das Hotel. Da sehe ich ein paar Leute auf mich zukommen, die mir suspekt sind. Sie tragen zwar Sakkos und sind relativ gepflegt gekleidet, aber irgendetwas sagt mir, dass es sich um Betrüger handelt. Sie kommen immer näher, einer hält ein aufgefächertes Kartenspiel in der Hand, das er mir entgegenstreckt. Sie wollen mir offenbar ein Spiel aufdrängen und mir im Zuge dessen Geld abnehmen. Ich fühle mich bedrängt und eile zurück ins Hotel, in der Hoffnung, dass sie mir nicht folgen können.
Alle bis auf einen bleiben tatsächlich draußen, dieser folgt mir aber weiter, ich weiche zurück und um eine Ecke. Nun bin ich mit ihm allein. Ich weigere mich, beim Kartenspiel mitzumachen, und das macht ihn wütend. Um ihn daran zu hindern, weiter mit den Spielkarten zu hantieren, packe ich seine beiden Handgelenke. Sie sind schmal, und er wirkt plötzlich sehr jugendlich, fast kindlich. Er hat nun ein eigentlich sympathisches Gesicht. Sein Brillengestell aus durchscheinendem, hellbraunem Horn ist in drei Teile zerfallen und liegt neben ihm auf dem Boden: der linke Bügel, die beiden Gläser und der rechte Bügel. Ich blicke in sein Gesicht. Er hat einen hellen Wuschelkopf und er erinnert mich an jemanden – leider kann ich nicht sagen, an wen. Jedenfalls an einen jungen, intelligenten und aufgeweckten Menschen, der Name „Thomas“ kommt mir in den Sinn.
Da er sich gegen meinen Griff wehrt, halte ich weiter seine Handgelenke fest umfasst. Nun hält er plötzlich ein 20 bis 30 cm langes Holzbrett in der linken Hand. Es ist faseriges Sperrholz, irgendwo herausgebrochen, so dass ein paar zentimetergroße Splitter davon abstehen, einer an der Spitze rot gefärbt. Er versucht nun, sich selbst im Gesicht mit diesem Brett zu verletzen. Ich halte seine Hände fest, er aber hebt den Kopf und drückt diesen gegen das Brett, so dass einer oder mehrere Splitter in sein linkes Auge dringen. Ich sehe die Wunde nicht, weil ich den Kopf nun von unten betrachte. Er triumphiert, ich konnte ihn nicht daran hindern, sich zu verletzen. Ich ziehe den dicken Splitter wieder heraus.
Ich wache auf, und im Aufwachen denke ich noch bei mir, ich hätte ihn ansprechen sollen, hätte mich dieser Situation stellen sollen – man liest ja öfter, dass dies bei Träumen oft zu einer Deeskalation oder Auflösung führt. Aber es ist zu spät, ich bin wach.

Teil 2: Jagd im Auto

Möglicherweise fand dieser Traum als erster statt, da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Ich bin jedenfalls wieder in Berlin im Tagungshotel und habe immer noch Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung. Ich nutze die Zeit zu einer Spritztour in einem silbernen Sportwagen mit einem flachen Ein-Mann-Cockpit. Ich fahre auf einer sehr breiten, schnurgeraden Straße, links und rechts hohe Häuserreihen. Es ist dämmrig, etwas apokalyptisch. In großer Entfernung haben sich quer über die Straße Menschen aufgestellt, mutmaßlich Neonazis, vielleicht auch linke Chaoten – jedenfalls wollen sie mich als Vertreter der Staatsmacht konfrontieren, das ist mir klar. Ruhig und zügig fahre ich weiter auf sie zu. Sie haben brennende Stämme über die Straße gelegt, aus manchen ragen noch Astbüschel heraus. Nur eine Lücke gibt es noch, und kühl kalkulierend halte ich Gas gebend auf diese Lücke zu. In dem Moment, wo auch diese Lücke geschlossen werden soll, erreiche ich sie. Ich sehe noch groß neben mir die Beine des Chaoten stehen (ich selbst sitze im Auto sehr niedrig), der Wagen schiebt ihn beiseite, er ist wohl nicht ernsthaft verletzt. Ich bin durch.
Ich muss aber weiter sehr konzentriert und schnell fahren, da ich von einer Verfolgung durch diese Staatsgegner ausgehe. Bei dieser Flucht muss ich ein paar Stunts hinlegen, verfalle aber nicht in Panik. Einmal fahre ich rechts über den Straßenrand hinaus und falle eine Ebene tiefer auf eine andere Straße, das Auto macht das aber mit und es geht weiter. Ein paar Mal springe ich über weite Lücken im Boden, das Auto kracht auf der anderen Seite auf die Straße, ohne Schaden zu nehmen. So geht es noch eine Weile, dann löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Diese beiden zusammenhängenden Träume beschäftigen mich, weil ich in den vergangenen Wochen noch nie bei einem Traum so direkt angegangen wurde oder in Bedrängnis geraten bin.

Ein paar Assoziationen:

Wen oder was repräsentiert der junge Kartenspieler?
Warum will er sich selbst verletzen, warum will ich ihn daran hindern? Warum die Augen? Warum die Brille? Warum zerbricht eine Brille, und ausgerechnet in drei Teile? (Ich selbst trage eine Brille, jedoch anderer Bauart. In letzter Zeit hat meine Sehkraft spürbar nachgelassen und ich bräuchte mal eine neue).
Splitter im Auge eines anderen, aber man übersieht den Balken im eigenen?
Das Kartenspiel, der junge Mann: weist das auf jugendliches Spiel hin, das ich mir selbst verbiete?

Wen repräsentieren die Chaoten? Ist das der Anarchist in mir, oder stellen sie ein äußeres Hindernis auf meinem Weg dar? Weist das Auto auf die Reise durch mein Leben hin? Wer oder was bedroht diese Reise? Und wenn ich am Ende durch kühles Überlegen durchbreche, ist das dann gut oder schlecht? Immerhin endet die Verfolgung nicht, sondern sie geht weiter.

Wie gesagt, solange ich mich erinnern kann, hatte ich keinen bedrückenden oder bedrängenden Traum mehr, und jetzt gleich zwei in Kombination. Da muss es doch auch eine gemeinsame Botschaft geben. Nur: welche?
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Re: Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 22.09.2020, 14:04

Lieber Ghost,

danke für die ausführliche Antwort, über die ich in Teilen noch nachdenken muss. Bei einer Sache habe ich mir mit der flachen Hand vor den Kopf geschlagen. Berlin, na klar: es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ich dorthin versetzt werde in ein paar Monaten. Und nun sehe ich dort bestimmte Dinge (oder Leute) auf mich zukommen. Das gilt es näher zu beleuchten.
Ein Spiel dort mitspielen zu müssen, wo ich vielleicht hinversetzt werde - ja, das könnte eine bestehende Befürchtung von mir sein! Dabei sehe ich nur den Splitter im Auge der anderen, übersehe womöglich aber den Balken im eigenen?

Was die Chaoten betrifft noch eine Ergänzung: ich habe gestern in einem Buch über die Straßen-Gangs von Neukölln/ Berlin gelesen und mir einige Gedanken darüber gemacht. Aber ich glaube, es geht hier nicht nur um die Aufarbeitung dieses Buches, sondern das Bild der Gang-ster hat noch eine tiefere Bedeutung.

Was, lieber Ghost, meinst du mit spiritueller Weitsicht? Spirituell im sinne von religiös? Oder soll ich eine Verschwörung gegen mich durchschauen? Dazu bin ich doch nicht wichtig genug, oder?
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Re: Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 22.09.2020, 15:47

Ein für mich sehr spannender Tag heute. Danke Euch allen, dass Ihr so schnell mit den Antworten seid, fast zu schnell.

Danke Dir, Almuth.

Eins vorweg: ich bin ganz sicher kein "Hohes Tier", halt ein Staatsbeamte im höheren Dienst irgendwo. Ein Leithirsch, ein Boss, ein Anführer bin ich eigentlich nicht. Und auf Sportwägen stehe ich überhaupt nicht. Ich fahre einen untermotorisierten VW Touran. Aber ich werde in mich gehen und sehen, ob und inwiefern ich es mit der überheblichen Selbstdarstellung übertreibe. Jeder stellt sich ja irgendwie selbst dar.

Ganoven auf der Straße verachte ich eigentlich nicht - ich fürchte sie eher, weil ich die Anarchie fürchte und die Gewalt.
Tagungshotels machen mir schon Spaß, das mag sein. In einer früheren Deutung zu dieser Umgebung hieß es einmal, sie stellt einfach neutral mein Arbeitsumfeld allgemein dar. Mag aber auch sein, dass mir diese Umgebung besonders gut gefällt.

Die Verletzlichkeit der kleinen Betrüger auf der Straße, auf die Du hinweist, ist für mich eine zutreffende Spur. Ich habe je schon von dem Buch geschrieben, über die Gangs von Neukölln - na klar, das sind ja auch Jugendliche. Sie tun mir leid, es sind Kinder mit guten Herzen, verletzliche Kinder, die dann zu Türstehern, Schutzgelderpressern und Geldwäschern werden. Sollte der Traum am ende also doch "nur" eine Aufarbeitung dieses Buches sein. Das scheint mir jetzt nicht mehr so abwegig.

Inzwischen ist etwas zwischen zwei Foren (Traum und Wirklichkeit vs Traumdeutung) durcheinander geraten und Ghost und OrleandO haben mich zu einer Art Paris gemacht, der einen Apfel zwischen ihnen hin und her reichen soll. Hilfe!!
Ich will nicht schuld an einem neuen Trojanischen Krieg sein.
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Re: Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 22.09.2020, 15:59

Spirit oder Naturkraft?

Das ist doch ein und dasselbe?!
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Re: Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 22.09.2020, 16:10

Ghost, sag was
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Re: Im Traum bedrängt

Beitragvon Rabulist » 29.09.2020, 09:33

Nach wie vor ein spannendes Thema.
Ich selbst komme eher aus der mystischen Tradition, hinterfrage aber derzeit mein gesamtes Weltbild. Und je mehr man hinterfragt, desto deutlicher merkt man, dass wir gar nichts begreifen können. (das will mir schier das Herz verbrennen (Faust))

Bei der Weltsicht im Sinne des Spirit fehlt mir ein wenig die Plausibilität. Welche Annahmen liegen dem zugrunde? Wieso ist das so? Beruht diese Weltsicht nur auf persönlichem Erleben? Wodurch wird es gerechtfertigt?
Mir scheint es so, dass "Spirit" dazu verleitet, in Ereignisse ganz schnell einen persönlichen Bezug hineinzuinterpretieren, der vielleicht so gar nicht existiert.
z.B. mein möglicher Umzug nach Berlin. Warum soll da bei drei Millionen Einwohnern ausgerechnet eine Verbindung zu Ghost bestehen? Woher nimmt Ghost die Überzeugung, dass seine Existenz dabei eine maßgebliche Rolle spielt? Warum sollte nicht ein anderer Berliner, dem ich zufällig irgendwo begegne und mit dem ich ins Gespräch komme, nicht derselben Ansicht sein? Ich empfehle Karl Valentin "der Zufall": https://www.youtube.com/watch?v=g7zMQGNEdMo

Die erdige Position von OrleandO strahlt für mich mehr Überzeugungskraft aus, sie ist irgendwie bodengebundener und nicht so luftig. Der Hinweis auf die Kraft, die aus der Erde strömt, hat mir gut gefallen.

Aaaaber: um da wirklich was dazu sagen zu können, müsste ich schon viel mehr Hintergrundwissen und Erfahrung haben. Wir wissen ja so gut wie gar nichts voneinander.

Ganz herzlich,
Rabulist
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