Hey Dietmar,
ja stimmt, es scheint in der Tat Missverständnisse zu geben.
Wenn gleich ich - um ganz ehrlich zu sein - das Gefühl nicht los werde, dass Du die hier ein wenig künstlich aufblähst, um vom eigentlichen Thema abzulenken.
Wie dem auch sei, bemühen wir uns erst mal um Klärung dieser Missverständnisse, damit wir uns dem wirklichen Inhalt widmen können.
Zunächst, ich habe mich bei meiner Aussage
nicht auf Deine Leseprobe bezogen.
Eigentlich müßte das auch ziemlich klar sein, zumal ich Deine Leseprobe nur ein einziges Mal erwähnt habe, und dann auch noch als Randbemerkung. Meine Anmerkung zu Deiner Leseprobe steht nämlich
in Klammer. Und in Klammer setzen bedeutet ja, dass es dabei nur um eine kleine Ergänzung am Rande geht, die zwar nicht völlig nebensächlich, aber doch auch nicht wirklich relevant ist.
Hier, ich zitiere mich mal selbst:
Ich denke mal, dass Dir bewußt ist, dass es historische Entwicklungen gab und gibt, und dass sich unsere Lebensumstände stark verändert haben, in den letzten 200 Jahren. (ich hab ebenfalls in Deiner Leseprobe nachgelesen und verzichte darauf, Dir hier Deine eigenen Zitate vorzulegen...)
Wie daraus eindeutig hervorgeht, habe ich mich hier auf das Themas der historischen Entwicklung bezogen und Deine Leseprobe einzig in diesem Zusammenhang erwähnt. Und wollte damit auch nur sagen, dass Du ja selbst - wie aus der Leseprobe ersichtlich wird - durchaus eine historische Entwicklung anerkennst.
Richtig ist, das meine Formulierung in dieser Randbemerkung etwas schlampig ist: was ich mit dem Zitat meinte, ist, dass ich darauf verzichte, Dich selbst aus Deiner eigenen Leseprobe zu zitieren.
So das war jetzt hoffentlich verständlich genug aufgedröselt. Wäre dieses Missverständis damit geklärt?
Bei meinen posts hier, habe ich mich einzig und allein auf Deine Aussage, hier, ein paar Posts zuvor bezogen (ich zitiere):
Dietmar Schlau hat geschrieben:...
Meine Erfahrungen zeigen, dass Angaben zur Person und zur Lebenssituation
für die Analyse der Träume keine Rolle spielen.
Traumsymbole sind universell,
sie sind weltweit gültig und hängen nicht von der Person des Träumer ab.
Angaben wie Geschlecht, Lebensituation, eigenen Assoziazionen u.s.w. sind
nicht notwendig, man kann ganz formal "Überzetzungsarbeit" machen.
...
(ich hab ein wenig entzerrt, den letzten Teil erstmal weggelassen, da ich mich darauf nicht bezogen habe, und die Hervorhebungen sind auch meine)
Das heißt, ich berufe mich in meinen Aussagen auf nichts, außer dieser hier gerade zitierten Aussage von Dir, nämlich dass Traumsymbole
universell sind, weltweit gültig, nicht von der Person des Träumers abhängen, und Angaben wie Geschlecht, Lebensituation usw. nicht notwendig sind. Ich denke, dass ich gestern bereits hinreichend und auch durchaus verständlich erklärt habe, warum eine derartige Aussage nicht nur problematisch ist, sondern einfach nicht stimmt.
Und dass eine solche Aussage, dass Traumsymbole universell sind, und dass die Lebenssituation, Alter, Geschlecht usw. des Träumenden keine Rolle spielen, soviel bedeutet wie
die historische Entwicklung zu verleugnen,
und kulturelle und religiöse Unterschieder einfach zu ignorieren.
Ich sage es gerne nochmal: kein Symbol ist weltweit gültig, bedeutet weltweit dasselbe - eben weil es kulturelle und religiöse Unterschiede gibt, die ich bei einer Deutung nicht ignorieren kann. Genauso wenig wie ich den Zeitfaktor (die Historie, die Lebenssituation) beim Deuten vernachlässigen kann.
In dem Moment, wo Du sagst, dass Symbole universell gültig sind, vertrittst eben genau diese hinlänglich beschriebene falsche, da statische Sicht.
Wenn ich Deine Antwort nun lese, klingt es so, als sei Dir bislang nicht bewußt gewesen, was sich tatsächlich alles hinter dem Begriff 'universell' bzw. hinter einer solchen Aussage 'universelle Gültigkeit' versteckt. Genau deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, es Dir aufzudröseln.
Nun nochmal zur
westlich-christlichen Perspektive:
Jeder der hier deutet (mich eingeschlossen) kann gar nicht anders, als mehr oder weniger auf Basis einer westlich-christliche Perspektive zu deuten. Denn darauf beruht unsere Sprache, unsere Kultur, unsere Bildung, unsere Werte- und Gesellschaftsordnung, und unsere gesamten Symbole. Der christliche Einfluss lässt zwar deutlich nach, aber dennoch, unsere Perspektive ist nun mal davon beeinflusst. Dem kann man nicht wirklich entkommen.
Das bedeutet nun aber letztendlich auch, dass alle Theorien, die wir hier sozusagen 'erfinden' - um es mal platt zu formulieren - von dieser Perspektive geprägt sind. Wir tragen diese Brille (die Brille unserer kulturellen westlich-christlichen Sozialisation), und sie ist so stark mit uns verwachsen, dass wir sie meist nicht bemerken.
Wenn wir sehr reflektiert sind, bemerken sie dann, wenn wir uns fremdkulturellen Ereignissen, Eigenheiten, Verhaltensweisen, Redewendungen, Witzen, usw. ausgesetzt sehen, und sozusagen LOST IN TRANSLATION sind - d.h. die Bedeutung nicht verstehen, irritiert sind, uns daran stören, sie merkwürdig oder auch unsinnig finden.
Leider machen wir uns häufig erst gar nicht die Mühe, das was unverständlich ist, zu hinterfragen (also zu reflektieren), sondern schalten sofort ab (oder lehnen es ab).
Was ich damit sagen will ist: jede westliche Traum-Theorie (auch Deine) beruht auf unseren westlich(-christlichen) Werten unserem westlich(-christlichen) Verständnis, ist eben entwickelt durch dieser Perspektive (Brille), die wir immerzu tragen, die wir nicht ablegen können, weil uns diese Dinge in Fleisch und Blut übergegangen sind
Ganz deutlich wird dies z.B. gerade bei Vorstellungen, die wir über den Körper und unsere Natur oder die Natur allgemein entwickelt haben, all das, was wir für biologisch und völlig natürlich halten. Tatsächlich stellt man aber fest, dass das, was wir hier für biologisch & naturgegeben halten, nicht überall auf der Welt gleichermaßen so gesehen wird. So eigentümlich es klingen mag, aber es gibt kulturelle Unterschiede hinsichtlich biologischen und natürlichen Vorgängen. In der Vergangenheit neigte die westliche Wissenschaft in diesen Fällen dazu, sich selbst und die eigene Erkenntnis als 'höherwertig' anzusehen - und diejenigen, die ihre (biologisch/natürliche) Sicht nicht teilten, als 'noch nicht so weit', d.h. als primitiv hinzustellen. Jüngste Forschungen haben jedoch Erstaunliches ans Licht gebracht: nämlich dass sich selbst bei uns, im Westen, das Bild oder die Sicht auf das, was in einem bestimmten Moment, zu einer bestimmten Zeit in der Geschichte - also Jetzt - so biologisch, natürlich und 'unveränderlich' erscheint, sich selbst drastisch gewandelt hat, im Laufe unserer jüngeren Geschichte. Letztlich heißt das also, dass selbst die Bereiche, die wir als 'unwandelbar', immer gleich, da biologisch/natürlich betrachten, immer schon ein kulturelles Mäntelchen tragen, und dieses Mäntelchen wurde mehrfach gewechselt, im Laufe der Zeit. D.h. es gibt letztlich NICHTS, nicht einmal das, was am aller Natürlichsten erscheint, was keiner Veränderung unterliegt - alles ist letztlich kultur-historisch bedingt und im Wandel.
Wenn Du nun davon ausgehst, dass Deine Traumtheorie - die wie erklärt, unweigerlich auf unserer westlich-christlichen Perspektive basiert - universell gültig ist, also weltweit gültig, dann leugnest Du eben nicht nur, wie oben erklärt
a) die historische Entwicklung
b) kulturelle/religiöse Unterschiede
sondern stellst damit
c) Deine westlich-christliche Perspektive als die Überlegene dar, denn mit ihr, so sagt Du ja, bist du überzeugt, weltweit alle Symbole erklären zu können.
Wie ich schon im ersten post sagte: diese Perspektive hat die Psychologie in der Vergangenheit eingenommen - sie hat geglaubt, dass die im Westen erarbeiteten psychologischen Kriterien und Ansätze universell gültig seien, dass man sie universell anwenden könne, um psychologische Prozesse zu verstehen
(Grundlage war hier u.a. auch wieder die Biologie, also die Tatsache, dass wir ja alle gleiche Gehirne haben, und daher auch letzten Endes 'gleich Denken' müssten - also die Denkstrukturen aller Menschen aufgrund dessen gleich seien. Davon geht man aber nicht mehr aus, diese Sichtweise wurde ad acta gelegt, da sie sich nicht als haltbar erwiesen hat. Die jüngste Hirnforschung zeigt ja auch sehr deutlich, wie unterschiedlich die Prozesse in den einzelnen Gehirnen ablaufen können).
Die psychologische Sicht, d.h. die universelle These, die westliche Psychologie überall, weltweit anwenden zu können, hat sich auch nicht als haltbar erwiesen. Nicht nur, aber tatsächlich zum Großteil bedingt durch ethnologische Forschungen in anderen Kulturen, die deutlich bewiesen, dass unsere psychologischen Ansätze, nicht weltweit anwendbar/gültig sind. Und zwar eben weil kulturell so unterschiedliche Wahrnehmunsperspektiven existieren, und damit verbundenen eben auch die unterschiedlichsten symbolischen Assoziationsbildungen.
Das heißt nicht, dass Du zu keinen Ergebnissen kommen würdest, wenn Du unsere Psychologie auf andere Kulturen anwenden würdest - ebenso wie Du mit Deiner Art Träume zu deuten, den Traum eines sagen wir indischen Hindu-Mannes deuten könntest. Das heißt, Du würdest zu Ergebnissen kommen - und du würdest deine Ergebnisse, aus Deiner westlichen Sicht, und aus Deiner Perspektive, auch für gut und richtig halten.
Nur, wie die Forschung inzwischen weiß, würde Deine Deutung/Perspektive weder dem Mann helfen, noch würde man ihm damit gerecht werden. Aufgrund seiner anderen Kultur und den dadurch bedingt mit anderen Inhalten gefüllten Symbolen, könnte der Mann mit Deiner Deutung nichts anfangen. Er würde sie nicht verstehen, sie würde für ihn keinen Sinn ergeben.
Man hat daher in der Psychologie begriffen, dass man mit diesen universellen Sichtweisen, die unsere Sicht/Theorie auf alle anderen weltweit übertragen, weder brauchbare Ergebnisse erzielt, noch die existierenden kulturellen Unterschiede mit in die Anwendung einbezieht.
Die universelle Sicht beruht auf alten, statischen Kulturmodellen, die sich schlicht als zu einseitig und als nicht brauchbar erwiesen haben.
So gibt es denn auch zahlreiche Beispiele, z.B. die Arbeiten eines indischen Psychologen, der hier im Westen studiert und gearbeitet hat, dann wieder zurück nach Indien ist, und daher beide Seiten/Sichtweisen kennt, und der sehr schön zeigt, dass die westliche Psychologie nur sehr begrenzt weiter hilft, um die Probleme indischer Menschen zu verstehen.
Ich hoffe es ist nun verständlich geworden, was ich damit meinte, wenn ich sage Du stellst Deine Theorie (die zwangsläufig eine westlich-christliche Basis hat) über alle anderen kulturellen Perspektiven, wenn Du mit 'universeller Symbolik' argumentierst.
Mir wiederrum ist nicht verständlich, wie Du diese Aussage machen kannst:
Natürlich erzeugen andere Lebensumstände andere Träume. Nicht nur Aufgrund verschiedener kultureller Zugehörigkeit, sondern auch aufgrund der ganz persönlichen Lebenssituation. Ich habe doch nirgends geschrieben, die Lebensumstände hätten keine Bedeutung
wenn Du gleichzeitig sagst (siehe weiter oben, das Zitat deines anderen posts), dass bei der Deutung die Lebensumstände keine Rolle spielen würden.
Was denn nun? Entweder die zeitlichen und kulturellen Gegebenheiten spielen eine Rolle - oder sie spielen keine!
Es ist nicht haltbar, wenn Du auf der einen Seite, das große Ganze offensichtlich eine Veränderung/Wandel unterworfen ansiehst, auf der anderen Seite (wohl was das Kleine, die Symbole & Deutung betrifft?) von einem ewigen Stillstand ausgehst. Oder dass das ewig und unveränderlich gleich bleibt.
Wie ich bereits sagte, unsere Theorien sind kulturell geprägt - genauso sind sie aber auch zeitlich geprägt. Theorien sind 'Kinder ihrer Zeit'.
Wenn sich sowohl Theorien, als auch Träume verändern, d.h. mit der Zeit und den kulturellen Umständen verändern/wandeln, dann kann man ja wohl kaum annehmen, dass in all diesem Wandel ausgerechnet ein Element, und zwar das Element, das erst die Träume bedingt (die Symbole) für immer und ewig stabil und unveränderlich bleibt. Oder?
Zumal Symbole letztlich ja eine Art Platzhalter sind, die wir als Kultur mit uns rumschleppen, und immer wieder neu mit den speziellen kulturellen Infos füttern, um es mal salopp zu formulieren. Das heißt sie unterliegen einem Wandel - genauso wie Sprache einem stetigen Wandel unterliegt. Schau Dir doch mal die Ethymologie eines Wortes an, da wird ganz deutlich, wie maßgeblich sich die Bedeutung von Worten gewandelt hat und es immer noch tut. Zum Teil ist die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes der jetzigen, gegenwärtigen Bedeutung, diametral entgegen gesetzt.
Symbole tragen sicher zum Teil noch ältere Bedeutungen mit sich, die sie aus anderen Zeiten bekommen haben, aber sie unterliegen Wandel, das ist ganz eindeutig. Denn es ist auch bekannt, dass sich die Symbole, die sich nicht wandeln, hinten runter fallen - ebenso wie all die, die unbrauchbar werden, wegfallen, nicht mehr benutzt (oder vernichtet werden).
Insofern verstehe ich auch Deine Analogie bzgl. der Symbole/Traumsprache nicht wirklich.
Das klingt so, als ändere sich zwar die Zusammensetzung unsere Sätze (= Träume) im Laufe der Zeit, aber unser Wortschatz (oder die Bedeutung dessen, die Bedeutung der einzelnen Worte) - d.h. die Traumsymbole - bleibt stehts derselbe....???
Demnach scheinst Du davon auszugehen, dass sich die Bedeutung unserer Worte auch nicht wandelt, verstehe ich das richtig?
Das einzige, was Du hier nun einräumst, ist, dass der Traum Symbole aus unterschiedlichsten Kulturen/Zeiten benutzt - eventuell so wie wir, in unserer Sprache, Wörter aus anderen Sprachen haben?
Heißt das dann, Deiner Meinung nach, dass letztlich eventuell die Masse/Anzahl der Symbole zunimmt, da Zusätzliche, Neue im Laufe der Zeit mit hinzukommen, aber dass der Inhalt der einzelnen Symbole letztlich dennoch gleichbleibend und unverändert über die Zeit bleibt?
Vielleicht kannst Du ja nochmal genauer erläutern, wie Du das meinst.
Das ist jetzt ziemlich ausführlich und lange geworden. Uff... aber das wars auch erstmal.
grüße Picadora